Earthshaker Fest   20.-22. Juli 2006  in  Rieden/Kreuth

 

Wie werde ich Metaller??

- 3 Tage Intensivkurs in der Oberpfalz –

 

Warum ich Metaller werden will? Weil das so friedliche Menschen sind, die schöne Musik hören und Spaß dabei haben – und weil ich die Chance hatte kostenlos auf ein solches Festival zu fahren. Ein Grundkurs im „Tanzen“ war da angebracht, man will ja nicht aus dem Rahmen fallen. Also: sicheren Stand einnehmen, leicht in die Knie gehen, Oberkörper nach vorne beugen und ganz schnell „Ja Ja“ und „Nein Nein“ hintereinander sagen. Gelernt und Los!

Tag 1

Die Spannung stieg ungemein bei Erreichen des Zielortes. Hier, inmitten einer Idylle a là Heidi mit hohen Bergen, grünen Wäldern und strahlendem Sonnenschein sollten sich Tausende schwarzer, langhaariger Gestalten tummeln um Bands wie Satyricon, Sodom, Saxon, Edguy, Lordi und Venom zu lauschen? Nach den überfüllten Wiesenhain, Blechlawinen in der Kleinststadt und der Metallbeschallung zu urteilen war dem tatsächlich so.

16.00 Uhr

Kaum da und registriert, steht das Zelt - also gleich rein ins Getümmel! Trotz gefühlter Temperaturen von 40°C ist der riesig erscheinende Platz vor der Bühne gut gefüllt und die Haare fliegen bereits ordentlich durch die Luft. Ausreichend Getränkestände (Becks!) und ein sehr abwechslungsreiches Imbissangebot lassen einen sich schnell heimisch fühlen. Außerdem kann man auf dem kleinen Metal-Markt noch das Outfit komplettieren oder sich die kleine Nachtmusik zulegen, eben was das Herz begehrt. 

 

Apropos Abwechslung.

Das Musikprogramm ließ bereits am ersten Abend keine Wünsche offen und präsentierte einen Querschnitt aller Facetten des Metal. Gestartet wurde mit Death Metal von „Threat Signal“ aus Kanada, wobei die Punkfrisur des Frontman für mich am prägnantesten war. Danach eine gute Mischung aller Metal-Genres von den Altmeistern „Communic“, welche gut angenommen wurden, bis man zur Spaßfraktion von „Knorkator“ kam, welche ihr Publikum mit Toastbrot bewarfen, während Stumpen sich auszog und als Highlight ein Piano zerhackt wurde. (- an der Stelle wurde auch dem letzten Festivalbesucher bewusst, dass das eine Party ist!) Der totale Break gelang mit dem Black-Metal von „Satyricon“, welche mit klassischem Corpsepaint im Gesicht und ihrem ganz eigenen Stil ihre Fans begeisterten und erste Maßstäbe setzten. Dass das Highlight des Abends, die Grand Prix Gewinner „Lordi“ immer näher rückten war nicht zuletzt an der stetig ansteigenden Zuhörerzahl zu bemerken, sondern auch an der quasi Vorband „Sodom“ die mit ihrem schnellen und aggressiven Trash-Metal das letzte aus der Meute holten und somit nicht nur die alt eingesessenen Fans mitrissen sondern auch mich meine Handbanging-Fähigkieten testen ließen. Ein Gimmick des Abends war es wohl, dass sie „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ anstimmten, denn bei den Temperaturen konnte es schon zu Ortungsproblemen kommen…

 

Was soll man über „Lordi“ groß sagen? Für mich persönlich die einzige Band des Tages, von deren Musik ich eine vage Vorstellung hatte – doch durch die überzeugenden und sehr abwechslungsreichen Auftritte der Vorgänger war ich nicht mehr so leicht zu cachen… Natürlich haben sie nicht enttäuscht! Mit ihrer Mischung aus Kostümfest, bösen Metallriffs und Popanklängen bildeten sie einen adäquaten Abschluss dieses großartigen Einstiegs ins Earthshaker Fest. So spielten sie neben alten Klassikern auch ihre aktuelle Single „Hard Rock Halleluja“ und verblüfften mit Pyrotechnik aus Plastikpuppen.

 

Der Tag ging hin in Frieden, für viele im Alkoholrausch und für uns im Zelt. Zum Glück war der Weg für uns nicht zu weit (manch anderer hatte da weniger Glück, denn das Gelände war sehr groß und teilweise etwas unübersichtlich) denn nach fast 9 Stunden stehen, Haare schütteln und Biertrinken macht ein Neu-Metaller schlapp.

 

Tag 2

Diese Hitze bringt einen um! Aber wieder was gelernt: Metaller sind Frühaufsteher, ob gewollt oder ungewollt. Als erstes läuft auf den Zeltplätzen der Recorder um sich in Stimmung zu bringen, dann geht der Grill an oder man stellt sich selbst zum grillen in die Schlange vor den Duschkabinen (kleines Manko des Org-Team. Viel zu wenig und viel zu teuer!)

Für Frühstück ist nicht wirklich Zeit, denn um elf beginnt die erste Band und laut Tine eine die man nicht verpassen darf.

„Equilibrium“ feiern 5 Jahre Bandjubiläum und können laut Sänger ihr Glück kaum fassen hier zu stehen. Ich kann kaum fassen, dass trotz mittäglicher Hitze und durchzechter Nacht überhaupt so viele Metaller den Weg vor die Bühne gefunden haben und sich von dieser Mischung aus Viking-, Dark-, Black- und Melodicmetal so in den Tag schubsen lassen. Hut ab! Da mach auch gern die Pommesgabel und die Bestechung von Seiten der Band mittels Alkoholica war wirklich nicht nötig…

 

Mittagspause. Um die restlichen Highlights des Tages in vollen Zügen genießen zu können brauchten wir eine Pause. Für Abkühlung zwischen den Konzerten war dank der Freiwilligen Feuerwehr und diverser Wasserstellen am Rand gesorgt – dafür ein dickes Lob!

 

15.00 Uhr

Die angebotene Mischung von „Wintersun“ aus Black-, Death-, Power- und Progressiv Metal fand viel Zustimmung bei den Hörern, welche trotz des Wetters noch nicht völlig gelähmt waren und ihrer guten Stimmung freien Lauf ließen.

Dank der Hitze hatten es auch die „Apokalyptischen Reiter“ schwer mit ihrer Reitermania die Massen in Bewegung zu setzen. Man hätte denken können, der Sänger wolle dies ausgleichen indem er umso mehr auf der Bühne wirbelte, aber somit schafften sie es eine wie gewohnt energiegeladene Show abzuliefern. Eine meiner neuen Lieblingsband hatte auf diesem Festival einen schweren Stand, denn mit ihren Hardcore Elementen fielen „Caliban“ etwas aus dem Rahmen. Dennoch vermochten sie es dank brachialer Gitarrenriffs und dem dynamischen, progressiven Gesang das Publikum zu fesseln.  Auch die Anleitungen zum pogen und Schlammcatchen mögen ihren Teil dazu beigetragen haben. 

Das erste Highlight waren die alten Herren von „Rage“, welche mit gewohnter Härte und der Verbindung zur Klassik ihre Fans beglückten. Nach einer kurzen Pause für uns fanden wir uns halb zehn wieder vor der Bühne ein um „Saxon“ zu lauschen. Mit ihrem puren Metal, ganz der alten Schule verpflichtet und der trotz ihres Alters beachtlichen Beweglichkeit schafften sie es auch die jüngeren Hörer von ihrem Können zu überzeugen und eine fette Party zu feiern.

Der Platz drohte völlig zu bersten als der Headliner des Abends sein Tagwerk begannen. „Hammerfall“ versprach großes, was sie beim Massengeschmack scheinbar nicht so ganz einlösen konnten (siehe Guestbook bei Earthshaker-fest.com). Der bewährte Power-Metal, in den alten wie auch in den neuen Stücken das tragende Element, vermochte es nicht überzeugend den Hammer auf das Publikum fallen zu lassen. Mag es der Sound gewesen sein oder die auslaugende Sonne tagsüber, dem Ruf hat es nicht geschadet und die wirklichen Fans haben die Haare bei „Hammerfall“ kreisen lassen.

 

Nach diesem wahren Marathon an Bands und der Flut von Eindrücken, die scheinbar alle auf meinen Füßen landeten so wie die schmerzten, ging ich voller Erwartung zu Bett. Wie der dritte, der eigentliche Festival-Tag, das alles noch toppen sollte, konnte ich mir nicht vorstellen!

 

Tag 3

In den letzten zwei Tagen habe ich bereits gelernt dass Metal mit viel Haar, Bier und Lautstärke zu tun hat, außerdem mit Stehvermögen – in jeder Lebenslage. Diesem mir bis dato unbekannten Ausdauersport musste ich am Samstag den Tribut zollen, indem ich es erst am Nachmittag vor die Bühne schaffte. Vorbildlich hatte sich Tine in der Zeit „Ensiferum“ und dank eines kleinen Wechsels „Brainstorm“ angeschaut. Vor der Bühne wurde ich von einer schicken Blondine anröhrender weise begrüßt. Aha, das sind also „Arch Enemy“. Man merkt, dass der Rest der Zuhörer ebenso ausgelaugt ist wie ich denn trotz der mitreißenden Show dieser Melodic-Death-Metal Band kommt nicht die erhoffte Stimmung auf. Im Anschluss spielten alte Bekannte, zumindest wurde der Frontmann von „Jon Oliva´s Pain“ so begrüßt, ist er den meisten doch noch aus Savatage-Zeiten bekannt. Meinen Geschmack hat dieser recht harte Stil nicht getroffen, aber er erweckte einige Haarschüttler wieder zum Leben.

 

Nach einer kleinen Programmänderung die alle „Nevermore“ Fans etwas enttäuscht hat, betraten die „Deathstars“ die Bühne. Man fühlte sich kurz wie bei einem Marylin Manson Look-a-like Contest und auch ihre Androhung „If Deathstars playing in Daylight,  Jesus will come to hell“ konnte nicht so richtig überzeugen. Man schenkte ihnen artig gehör und sie gaben sich redlich Mühe die Massen zu mobilisieren, was in meinem Falle auch gelang.

Um die eingesessenen Metaller nach diesem Ausflug zu besänftigen, griffen „Opeth“ nach den Instrumenten um die Hörer mitzunehmen auf eine Reise durch Death Metal, Progressive Metal und Progressiv Rock. Und es waren viele Reisewillige dabei, bei denen der Funke übersprang.

 

[Ein kleines Schmankerl bildeten in der Umbaupause die Jungs von „Blind Guardian“ die Fußbälle ins Publikum kickten und Lust wecken wollten auf ihr neues Album, indem drei Songs vom Band eingespielt wurden. Echten Fans konnte das natürlich nicht ausreichen und die Sprechchöre wollten länger nicht abreißen.]

 

Nach diesem aufheizendem Reigen kam der Regen. Diesmal wörtlich und von oben. Die Wolken hatten sich zusammengeballt und wollten wohl den „Deathstars“ im nachhinein Recht geben. Dank der schnellen Reaktion des Veranstalters wurde die Ostbayernhalle geöffnet und da habe ich etwas sehr wichtiges über das Leben der Metaller erfahren:

Sitz du richtig in der Scheiße musst du tanzen. Genau das taten diese Verrückten. Als würden sie ihrer angestauten Energie freien Lauf lassen begannen sie eine friedliche Party in der Halle. Man sammelte sich zum gemeinsamen Handbanging, Menschenpyramidenbauen, Fange spielen und dergleichen mehr. Respekt!!!

 

Eben diesen Einsatz und die großartige Überbrückung der Zeit wussten auch „Edguy“ zu würdigen, die nach der Pause das Programm fortsetzten. „Ihr bösen bösen Metaller. Langhaarig und gemein, Kinder fressend und Tiere fickend! Ihr habt allen gezeigt was Party und was gute Laune ist!“ Recht ham se! Und mit ihrem Power Metal trockneten sie die letzten Fans und brachten sie zum mitsingen und weiterfeiern.

 

Die Frage, was danach noch kommen soll ist berechtigt und auch ich hatte an diesem Abend schon meinen persönlichen Höhepunkt erlebt (musikalisch!!). Aber vielen war klar auf was hier zwei Tage gewartet wurde. Auf die Begründer des Black Metal, die nach etlichen Jahren Pause mit ihrer neuen Scheibe „Metal Black“ aus der Versenkung auftauchen. 

„Venom“ schickten sich an das Earthshaker Publikum zu kicken. Und das taten sie mit einem großen Knall am Anfang und der gelungenen Mischung aus alten Stücken und viel neuem, unverbrauchten Material. Es wurde eine lange Nacht und leider leider wurde sie zu lang für den Veranstalter, so dass die nach hinten vertrösteten „Nevermore“ komplett gecancelt wurden. Großes Schade!

 

Ein Fazit?

Ey sorry, aber mir tut der Nacken weh, meine Füße pulsieren, meine Ohren dröhnen, ich hab nen Sonnenstich, krieg meine Augen kaum auf und muss wohl dringend duschen ! (Obwohl Metaller das ja nicht machen, angeblich.)    

 

Gemerkt hab ich, dass Metaller sein furchtbar anstrengend ist; aber zwischen den Cowboyhüten, Springerstiefeln, Band-T-Shirts, Schottenröcken und vielen langen Haaren habe ich mich echt wohl gefühlt und hatte eine Menge Spaß!

Ob ich Metaller geworden bin weiß ich nicht, die Abschlussprüfung ist erst nächstes Jahr, beim nächsten Earthshaker in Rieden/Kreuth.

 

Man sieht sich! Antje.